Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstfördernden e. V.


Astrid Weichelt, Königswald, 2022, Detail (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2022

29.01.2023 - 30.04.2023 Ausstellungen

Vor der Natur

Galerie Kunstflügel | Seebadallee 45 | 15834 Rangsdorf
Öffnungszeiten: Do-So 14-18 Uhr und nach Vereinbarung

Antje Bräuer, Anne-Françoise Cart, Gisela Eichardt, Elli Graetz, Karin Gralki, Annelie Kaduk, Christina Köster, Katharina Kulpok, Christine Lübge, Monika Meiser, Irmgard Merkens, Bettina Mundry, Kaj Osteroth, Eva Paul, Barbara Raetsch, Ilka Raupach, Jutta Schölzel, Dorit Trebeljahr, Astrid Weichelt, Marita Wiemer

Vor dem Hintergrund von Klimawandel und der weltweiten Umweltzerstörung wird der Ruf nach einer Nachhaltigkeit auch in der Kunst und Kultur immer lauter. Was aber ist nachhaltige Kunst? Muss sie recycelbar sein oder langlebig, multifunktional oder energiesparend? Muss sie überhaupt? Und wie befassen sich die Kunst, Künstlerinnen selbst mit dem Thema Natur und Zerstörung? Welche Fragen stellen sie, welche Antworten, welche Dystopien bzw. Utopien werden in ihren Werken sichtbar?

Neu ist das Thema nicht. Schon in der Romantik haben Künstler*innen die Industrialisierung heftig kritisiert und das Ideal des Unversehrt-Ursprünglichen vorgetragen. Seit den 1950er Jahren gibt es Auseinandersetzungen mit der Atomkraft und Atomwaffen in der Kunst in Ost und West und in den 1980er Jahren wurde die Verschmutzung von Gewässern und Landschaften in den Blick genommen. Nichtsdestotrotz bleibt das Thema virulent, gewinnt mit dem Schmelzen der Polkappen und Gletscher, Dürren, Sturm- und Flutkatastrophen noch an Dringlichkeit. Wir scheinen an einem Wendepunkt angekommen zu sein, der die perspektivische Anwesenheit des Menschen auf diesem Planeten hinterfragt.

Zwanzig Künstlerinnen der GEDOK Brandenburg setzen sich mit unterschiedlichen Aspekten von Natur auseinander, die in der Ausstellung in drei Themenbereichen aufgehen: Beobachtung, Zerstörung und Erfindung. In Installationen, Gemälden, Zeichnungen, Druckgrafik gehen sie in den Dialog und regen mindestens ein Nachdenken an.

Die Schmuckkünstlerin Antje Bräuer (*1972) aus Hohenleipisch hat an der Burg Giebichenstein in Halle studiert und ist nebenberuflich Kustodin am Kunstgussmuseum in Lauchhammer. Sie bewegt sich in ihrem Oeuvre zwischen angewandter und bildender Kunst, zwischen Schmuck und Skulptur. In der Ausstellung zeigt sie Objekte aus Holz und Eisen, die an Astgewirr, an Strandgut erinnern und aus der Fläche herauswachsen.

Lyrisch anmutende Bilder von Schachtelhalmen bannt Anne-Françoise Cart (*1967) aus Berlin im Gelatinedruckverfahren aufs Papier. Die weitgereiste Künstlerin hat Textildesign studiert und sich im Anschluss Grafik und Malerei zugewandt. In großen und kleinen Formaten, experimentellen und realistischen Werken kreist sie immer wieder um Natur- und Landschaftsthemen, die ihr Schaffen zu bedingen scheinen.

Die Berliner Bildhauerin Gisela Eichardt (*1964), die den Anstoß zur Ausstellung gab, spürt dem Wesen der Bäume nach und zeigt großformatige, aufwändig gestaltete Collagen, die Frottage, Druckgrafik und Zeichnung verbinden und das dreidimensionale Objekt in die Fläche überführen. Die Bilder der Künstlerin, die an der Kunstakademie in Mainz studiert hat, sind Entwürfe einer geträumten Zukunft.

Inspiriert von botanischen Studien entsteht das großformatige Rollbild von Elli Graetz (*1947) aus Stechlin, das pflanzliche Formen in einer Holzschnittsequenz zeigt. Die Grafikerin, die an der Kunsthochschule Weißensee studiert hat, demonstriert einmal mehr ihre Meisterschaft im Umgang mit den verschiedenen Drucktechniken, deren Möglichkeiten sie ihren Motiven entsprechend ausspannt.

Die Grafikerin Karin Gralki, die an der Kunsthochschule Weißensee ursprünglich als Bildhauerin ausgebildet wurde, lässt in farbigen Skizzen Landschaft entstehen. Expressiv setzt sie die Striche aufs Blatt, deutet an, überarbeitet, spitzt zu, entzieht sich und schafft so Notate ihrer Beobachtungen, die zugleich Erfindungen sind.

Annelie Kaduk (*1947) wechselte nach langjähriger Berufstätigkeit als namhafte Lektorin zur Malerei. Am nördlichsten Rand Brandenburgs, schon in Mecklenburg-Vorpommern lebend, entwickelt sie surreal anmutende Bilderzählungen in Öl. Immer wieder setzt sie sich mit Zerstörung und Weltende auseinander und präsentiert eine apokalyptisch anmutende, brennende Landschaft.

Die Textilkünstlerin Christina Köster (*1954) aus Peitz kreist seit langem um das Thema Nachhaltigkeit. Sie verarbeitet Hello-Fresh-Verpackungen zu einer Installation und befragt die Materialien der Kunstproduktion auf Nachhaltigkeit.

Die in Brandenburg und Berlin tätige Künstlerin Katharina Kulpok (*1942) fand spät ihren Weg zur Malerei und schafft traumartige Kompositionen zwischen Naturwissenschaft und abstraktem Experiment. Sie setzt Zeichnung und Farbe gekonnt über- und nebeneinander und lässt unter dem Titel „Krisis“ verstörende und doch poetische Visionen verseuchter Landschaften, Moleküle, Körper auferstehen.

Die Keramikerin Christine Lübge (*1954) experimentiert mit verschiedenen Brennverfahren und Glasuren und erschafft Skulpturen, die an Natur erinnern, obwohl Christine Lübge industrielle Abfallprodukte als Modelle nutzt. Aus der Grundform der Linse abgeleitet entstehen verschiedene Serien in schwarz und weiß, die in einer Auswahl zu sehen sind und Natur meisterhaft imitieren und inszenieren.

Bei Monika Meiser swingt alles. 1946 geboren kam die studierte Mathematikerin mit Mitte Zwanzig zur Grafik und arbeitet seither in Berlin freischaffend. In den letzten Jahren entstehen starkfarbige Aquarelle und Collagen, die sich auf Seheindrücke in der Natur beziehen, ohne konkrete Vorbilder zu referieren. Vielmehr übersetzt Monika Meiser das Gesehene in Bilder, die an Jazzmusik erinnern.

Irmgard Merkens (*1941) hat in Berlin an der Hochschule der Künste studiert. Ihre Naturstudien bestechen durch die starke Farbigkeit und den kräftigen Pinselschwung – dabei wirkt unterschwellig Bedrohung, Trauer.

„error 404 creature not found“ nennt Bettina Mundry (*1959) aus der Uckermark ihr Gemälde, das einen Hirsch zwischen dem Leben im Wald und seinem Ende als Trophäe zeigt. Die Künstlerin, die seit 2004 freischaffend arbeitet, spielt mit romantisch verklärten Bildern der heimischen Tierwelt und unserer Aneignung, Besitznahme, die auch vor der Ausrottung nicht Halt macht.

Kaj Osteroth (*1977) hat an der UdK studiert und an verschiedenen Orten gearbeitet, bevor sie sich in Schönewalde ansiedelte. Sie setzt sich mit der Berichterstattung um die Klimabewegung und dem europäischen Blick auseinander und porträtiert die Aktivistinnen Vanessa Nakate, Luisa Neubauer, Greta Thunberg, Loukina Tille und Isabelle Axelsson nach einem Pressefoto. Das Foto war nach seinem Erscheinen in die Kritik gekommen, weil die einzige schwarze Aktivistin Vanessa Nakate für die Veröffentlichung aus dem Bild herausgeschnitten wurde.

Mit den Auswirkungen des Klimawandels ringt die in Schönwalde-Glien lebende Malerin Eva Paul (*1951), die an der Kunsthochschule Berlin studiert hat. Ihr Ölgemälde zeigt Rauchschwaden, die über den verbannten Resten portugiesischer Eichenwälder hängen, nachdem diese in den letzten Sommern in Flammen aufgegangen sind. So entsteht das Bild einer Nicht-Landschaft.

Die Potsdamerin Barbara Raetsch (*1936) zeigt ein Gemälde aus der Serie „Licht und Schatten“, in der sie in Großformaten zwischen Dunkel und Hell, Leben und Tod, Explosion und Sternenhagel oszilliert. Barbara Raetsch wurde vom Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg mit dem Preis für ein Lebenswerk geehrt

Ilka Raupach (*1976) aus Caputh präsentiert „Mitbewohner“. Die Bildhauerin, die an der Burg Giebichenstein studiert hat, fertigt Monotypien von stark vergrößerten Insekten auf Tapeten aus verschiedensten Ecken Skandinaviens und koppelt so Naturstudium mit einem Augenzwinkern, das Nachdenken über das Aussterben der Arten mit einem Exkurs in die Kulturgeschichte des Wohnens.

Jutta Schölzel (*1954) hat Bildhauerei in Berlin Weißensee studiert und ist zugleich als Grafikerin tätig. Auf zwei kleinen melancholischen Kaltnadelradierungen zeigt sie einen winterlichen See, der von Bäumen umstanden ist.

Mit „Halber Quadratmeter Wiese“ aus der Serie „Formen des Anthropozäns“ erfindet Dorit Trebeljahr (*1977), die an der UdK Berlin studiert hat und als bildende Künstlerin, Kuratorin und Herausgeberin tätig ist, Natur. Sie erschafft einen hoch ästhetischen Raum aus Steck- und Akupunkturnadeln, Kleber und Lack und spitzt die künstliche Produktion von Natur zu. Drei Fotografien dokumentieren die Inszenierung des Werks auf einem vertrockneten Stück Erde und weisen so auf den Klimawandel und seine Folgen hin.

Astrid Weichelt (*1953), die an der Burg Giebichenstein Metallplastik studiert hat, arbeitet mit Papierabformungen von Objekten und präsentiert drei Arbeiten, die an Harzkiefern im Königswald bei Potsdam entstanden sind. Mit der Gewinnung von Baumharz thematisiert sie Wald als Wirtschaftsraum und diskutiert Versehrtheit versus Naturerhaltung.

Die in Jütchendorf lebende Malerin und Grafikerin Marita Wiemer (*1949) arbeitet seit ihrem Studium freischaffend. In großformatigen Zeichnungen reflektiert sie Naturbeobachtungen von Wanderungen im Gebirge und fertigt feinschraffierte Felsformationsporträts an, die sich zwischen Realität und Invention verorten.